Unser Gesundheitswesen ist in einem gewaltigen Umbruch. Die Veränderungen bringen zwar große Chancen, doch mit ihnen gehen auch neue Risiken einher. Was genau bedeutet das für das Risikomanagement im Gesundheitswesen?  Fünf Leitprinzipen werden dieses maßgeblich mitbestimmen, sagt Peter Jeurissen, Niederlassungsleiter der Sham Deutschland.

Proaktives Verständnis

Zunächst muss sich das Risikomanagement, anders als bisher, proaktiv aufstellen. Haben Risikomanager in der Vergangenheit in der Regel erst beim Eintreten des Schadenfalls gehandelt, so ist ihre Hauptaufgabe heute, Risiken aktiv zu suchen und zu bewerten, um dem Schadenfall – gegebenenfalls gemeinsam mit den Trägern der nötigen technologischen und organisatorischen Expertise – durch entsprechende Maßnahmen vorzubeugen.

Integriertes Risiko- und Schadenmanagement

Zweitens bedarf es hierzu eines integrierten Risiko- und Schadenmanagements. Alle Risiko- und Schadeninformationen sowie weitere Daten werden gesammelt und analysiert. Das zeitgemäße, integrierte Risikomanagement ist eine multidisziplinäre Aufgabe: Auch und insbesondere im Schadenfall, im Falle von Streitigkeiten oder gar eines Rechtsstreichs, sind Mitarbeiter vieler Disziplinen an der Konfliktlösung beteiligt. Nur das integrierte Risikomanagement kann beim Auftreten eines unerwünschten Ereignisses eine umfassende Ursachenforschung betreiben und so zu einem tieferen Verständnis der Umstände, die dorthin geführt haben, gelangen – mit dem letztendlichen Ziel, Maßnahmen zu entwickeln und umzusetzen, die ein erneutes Auftreten verhindern. Dieses Vorgehen spart Ressourcen und – und das ist das wichtigste – es erhöht die Sicherheit von Patienten und Mitarbeitenden in der Versorgung und der Pflege.

Peter Jeurissen, Niederlassungsleiter der Sham Deutschland
Peter Jeurissen, Niederlassungsleiter der Sham Deutschland

Wissenschaftliche Basis

Als drittes Leitprinzip sehen wir die verstärkte und noch viel engere Zusammenarbeit mit dem Bereich Forschung und Entwicklung, ob an Universitäten oder anderen Forschungseinrichtungen. Nur wenn wir die wissenschaftliche – insbesondere mathematische und statistische – Basis des Risikomanagements stärken, können wir dieses auch im weiteren Sinne optimieren.

Cybersecurity im Fokus

Viertens ist die Cybersecurity als zentraler Wirkbereich eines zeitgemäßen Risikomanagements zu nennen. Cyber-Risiken gebührt die gleiche Aufmerksamkeit wie klinischen Risiken. Die Sicherheit von digitalisierten persönlichen Daten wird auch dann eine maßgebliche Rolle spielen, wenn es um die Weiterentwicklung und die flächendeckende Verbreitung moderner Versorgungsangebote (beispielsweise bei der Telemedizin, eine der tragenden Säulen der künftigen Patientenversorgung) geht.

In diesem Kontext wollen wir auch auf die enormen Potentiale von Big Data hinweisen. In einem gesunden Innovationsklima muss es möglich und selbstverständlich sein, Big Data intuitiv und sicher zu verarbeiten. Zwar liegen bereits jetzt Millionen von Datensätzen vor. Diese aber sind nicht ansatzweise dahingehend strukturiert, dass sie sich mithilfe entsprechender Algorithmen analysieren ließen. Dabei könnten solche Analysen in naher Zukunft zur Grundlage der vorausschauenden Allokation von Ressourcen im Gesundheitswesen werden: Denn je präziser sich berechnen lässt, welche Gesundheitsleistungen zu welchem Zeitpunkt und in welchem Umfang nachgefragt werden, desto gezielter können Krankenhäuser, Kommunen und Länder planen und investieren. Auch das Management chronischer Krankheiten ließe sich so optimieren.

Die Wandlung des Versicherers zum Risikomanager

Das fünfte, allumfassende Leitprinzip ist folgerichtig die neue Rolle des Versicherungsspezialisten. Eine proaktive und integrierte Auffassung des Risikomanagements sowie dessen Fokus auf die Informationssicherheit, sind integrale Bestandteile für das neue Selbstverständnis des Versicherers, der sich von einem reinen Finanzdienstleister in einen Risikomanager des Gesundheitssystems wandelt.

Zentraler Bestandteil: Prävention

Der Versicherer beschränkt sich also nicht länger darauf, Risiken zu übernehmen. In seiner neuen Rolle trägt er vielmehr maßgeblich dazu bei, Risiken zu reduzieren. Er betrachtet die gesamte Risikokette, nicht zuletzt den human factor. Als Leitprinzip sehen wir die Notwendigkeit der noch viel stärkeren Sensibilisierung aller Angehörigen der Gesundheitsberufe für Risiken aller Art, insbesondere aber Cyberrisiken. Der Präventionsgedanke muss zentraler Bestandteil sowohl der Vision als auch der betrieblichen Praxis werden, auf jeder Ebene. Deshalb ist die wichtigste Investition immer die in Ausbildung: Nur durch lebenslanges Lernen öffnet sich die Tür zur nächsten Stufe der Sicherheit im Gesundheitswesen.

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