Patient als Beteiligter am Behandlungsprozess

Abstract: Forderungen, die leistungsbezogene Finanzierung und mit ihr das DRG-System müsse der Wiedereinführung des Selbstkostendeckungsprinzips weichen, werden immer lauter. Doch auf überkommene Strukturen zu setzen hält Gesundheitsunternehmer Prof. Heinz Lohmann für den falschen Weg. Denn mehr und mehr tritt der Patient aktiv mit auf die Bühne. Er hat als Akteur in der Vergangenheit keine Rolle gespielt und deshalb mussten seine Interessen immer wieder hinter denen der Professionellen im System zurückstehen. Für Patienten ist die medizinische Qualität und die durchgängige Betreuung aber von besonderer Bedeutung – das meint auch Dr. Olaf Bornemeier, Vorstandsvorsitzender der Mühlenkreiskliniken. Ein Finanzierungssystem, das den Ansprüchen der Zukunft genügen soll, solle vielmehr die Erfüllung der Patientenerwartungen als wichtigen Einflussfaktor beinhalten.

Seit jeher wird um die Finanzierung von Krankenhäusern diskutiert. Knappe Ressourcen stehen unbegrenzten finanziellen Erwartungen von medizinischen und pflegerischen Akteuren gegenüber. „Aktuell sehen wir wie die Ökonomisierung der Medizin beklagt wird“, meint Gesundheitsunternehmer Prof. Heinz Lohmann. „Genauer gesagt geht es dabei um die Krankenhausfinanzierung auf Basis des DRG-Systems. Gefordert wird unter dem Motto „Rettet die Medizin“ inzwischen ganz unverhohlen mehr Geld und weniger Einfluss der Ökonomen. Und mitten in der Corona-Krise wird der Druck auf die Politik noch einmal verstärkt: Eine leistungsbezogene Finanzierung sei nicht weiter akzeptabel und das im Jahr 2002 eingeführte DRG-System müsse der Wiedereinführung des Selbstkostendeckungsprinzips weichen. Einen ersten Erfolg sehen Kritiker in der Ausgliederung der Pflege.

„Natürlich spielt das Finanzierungssystem eine zentrale Rolle, weil es für die Zukunft die entscheidenden Anreize setzt“, so Prof. Lohmann weiter. Doch auf überkommene Strukturen des vor rund 20 Jahren abgeschafften Selbstkostendeckungsprinzips zu setzen hält der Experte für den falschen Weg. Denn verschwiegen werde in dieser erhitzten Debatte, dass schon in den 1980er und -90er Jahren, zu Zeiten der Selbstkostendeckung, ein Kostendämpfungsgesetz das nächste jagte. In dieser Zeit wurde detailliert mit Gesetzen und Verordnungen in die Arbeitsweisen der Krankenhäuser von Seiten des Bundes und der Bundesländer eingegriffen. Zurecht wurde die Überbürokratisierung immer wieder beklagt. Ein „weiter so“ könne es allerdings auch nicht geben. Der Patient muss vorbehaltlos zum Maß des Handelns in Gesundheitsunternehmen werden. Es geht darum, die Behandlungsprozesse ohne wenn und aber auf die Patienteninteressen auszurichten. Die Strukturierung und Digitalisierung der Arbeitsabläufe stehen dabei ganz im Vordergrund. Die mühsam in den 1980er und 1990er Jahren vorangetriebene Abkehr vom Selbstkostendeckungsprinzip in der Krankenhausfinanzierung durch Pflexit und Äxit rückgängig zu machen, wäre ein Schlag ins Gesicht der Patienten. Ihr Einfluss würde ausgerechnet in einer Zeit verstärkter Patientensouveränität blockiert.

„Der Patient ist unmittelbar Beteiligter des Leistungserstellungsprozesses“, betont auch Dr. Olaf Bornemeier, Vorstandsvorsitzender der Mühlenkreiskliniken. „Prozess- und Ergebnisqualität müssen daher in den Mittelpunkt der Betrachtungen gerückt werden. Wichtig ist es ferner, Patienteninteressen in die Definition von „guter“ Prozess- und Ergebnisqualität zu integrieren – schließlich handelt es sich um komplexe und für den Patienten riskante Leistungen.“ Der Gesetzgeber als auch das Krankenhausmanagement tue laut Bornemeier gut daran, diese Aspekte nicht zu vernachlässigen. „Der vom Anbieter geprägte strukturelle Blick muss zwingend einem vom Verbraucher gewollten Prozess- und Ergebnisblick weichen. Hinsichtlich des Ergebnisses einer Krankenhausleistung zeigt die Strukturqualität nämlich keine Relevanz – lediglich das Potenzial, eine bestimmte Qualität hervorzubringen.“

Dr. Olaf Bornemeier, Vorstandsvorsitzender der Mühlenkreiskliniken

So sollte die künftige Entwicklung der Finanzierung von Gesundheitsleistungen nach Meinung von Prof. Lohmann zwei Grundlinien folgen. Zum einen gilt es, wieder zu einem mehr pauschalisierten System zu kommen und zum anderen, insbesondere den Patientenbezug zu stärken. Letzteres kann geschehen, indem das Patientenwohl zu einem weiteren entscheidenden Maßstab der Klassifizierung wird. Dabei geht es auch um gezielte Anreize für die Qualität. Nicht die Komplexität von Prozeduren darf künftig bei der Finanzierung maßgeblich sein, sondern Value-Based Medicine, die sich an der Lebensqualität des Patienten und am Ergebnis orientiert, muss sich entscheidend auswirken. Die Berücksichtigung solcher Kriterien innerhalb der bestehenden DRG-Systematik ist relativ einfach zu bewerkstelligen. Schon heute sind Qualitätsparameter, wie etwa Komplikationsraten, enthalten, führen aber, da Aufwand erhöhend, zu einer Steigerung der Vergütung. Weitere Kriterien, wie etwa Schmerzlinderung, Einschätzung über den Gesundheitszustand, Mobilität u. ä. sind unabhängig vom Scalenniveau integrierbar und können über den Mechanismus der DRG-Gruppenbildung zur Vergütungsdifferenzierung genutzt werden. Voraussetzung ist lediglich die zeitnahe Erfassung am Anfang und am Ende eines Krankenhausaufenthaltes.  DRGs werden dann zu PRGs, Patient Related Groups. Zudem kann die Arbeitnehmerzufriedenheit, insbesondere bei den Pflegekräften, berücksichtigt werden. Auch müssen patientennahe Investitionen Teil der neuen Krankenhausfinanzierung werden. Und weil die Menschen die wachsenden Möglichkeiten, sie ambulant zu versorgen, überaus schätzen, müssen die Entgeltsysteme der Sektoren harmonisiert werden, auch um die bestehenden Fehlanreize endlich zu überwinden.

Diese Entwicklung stehe noch ganz am Anfang, nähme aber immer mehr Fahrt auf. Deshalb richtet sich der Blick auch hier zunehmend von der Institution auf den Prozess. Bornemeier und Lohmann abschließend wörtlich: „Es wäre fatal, wenn ausgerechnet in einer solchen Situation das Finanzierungssystem zur Alimentierung von Krankenhäusern zurückkehren würde. Vielmehr ist ein mutiger Schritt nach vorn erforderlich, der die Rolle des Patienten uneingeschränkt stärkt.“